Zirkular an das Ensemble über das Einstudieren der Rollen. Berlin, 19.
Oktober 1798. Freitag
Zirkular an die Schauspieler. Es sei I.s Pflicht, sich über das Verhältnis des
ihm anvertrauten Königlichen Theaters mit Offenheit und Ernst zu erklären: die erste Pflicht eines Schauspielers
sei, zu lernen und sich mit dem Inhalt des Stückes und besonders der Szenen, in
der er zu handeln habe, genau bekannt zu machen. Das sei vor allem eine
Missachtung des Publikums. Ohne gut
gelernt zu haben, ist keine lebendige Darstellung eines Charakters, oder
Seelenzustandes denkbar. Wer nicht gut
lernt, verzerrt den Inhalt in langweiligem Dehnen und puzt, wenn ja
noch etwas geschieht, mit abgenutzten Lazi’s veralteten Kunstgriffen oder
Grimassen die Lücken der strafbaren Gedächtnisträgheit aus. Die
ersten und zweiten Proben eines neuen Stückes müssen mit Ernst und Liebe gehalten werden, damit der Direktor oder
Regisseur sehen könne, wie die Vorstellung gehen werde. Die schimpfliche
Gewohnheit, keine Rede anzufangen, bis der Souffleur sie vorher angefangen habe, sei ein Zeichen dafür, dass man
weder Rolle noch Stichwort könne. Fleiß sei ein unerlässlicher Pflichtteil des
Arbeiters. Für Arbeit werde der Künstler bezahlt, für das Genie belohne ihn die
Ehre und sein Gefühl. Der Direktor und Regisseur würden sich künftig über
zweckwidrig gespielte Rollen auf den Proben
laut und öffentlich erklären. Sollte selbst bei der letzten Probe eine Rolle
falsch aufgefasst werden, müsse die Aufführung des Stückes verschoben werden.
Des Weiteren Ausführungen über den Anspruch auf Benefize und Gratifikationen und
über die Besetzung von Rollen. In Zukunft wolle die Direktion über besonders
gute und besonders schlechte Vorstellungen Beurteilungen zirkulieren lassen.