Von Michael Rudolph Pauly an Carl Reinhard. Berlin, 11. Mai 1804.
Freitag
R.s Brief sei gestern kurz vor der Vorstellung eingetroffen, so dass P. die Zeit
gefehlt habe, mit Iffland Rücksprache zu halten. Zuerst wolle R. eine Nebensache
korrigieren. Frau Reinhard, habe geäußert,
dass sie im Stücke Die Korsen nicht mehr
auftreten wolle. - P. wiederhole mit großer Überzeugung, dass an dem Willen
Ifflands, R.s Gattin zu helfen, nicht zu zweifeln sei. Frau Reinhard habe
mehrere Rollen bekommen und sie könne die Hoffnung hegen, künftig weitere Rollen
zu bekommen. Die Direktion gebe aber keine Versicherung über den Zeitpunkt, die
Beschaffenheit und die Anzahl der Rollen. Es sei gegen die Grundsätze der hiesigen Theaterführung, ein
ausschließliches Rollenfach an irgend jemand zu vergeben. Die
Berliner Bühne sei reich an Schauspielerinnen, die sogenannte erste Rollen und
Charakterrollen spielten. Madame Meyer
spiele auch nur alle 14 Tage einmal und bekomme jährlich 2 oder 3 neue Rollen.
Das gelte mehr oder weniger auch für Madame Schick, Madame Müller und
Madame Eunicke. Madame Böheim und Madame Herdt gelangten noch schwerer zu neuen Rollen. Madame Reinhard
hätte außerdem die Rolle der
Lady Freelove
Die eifersüchtige
Ehefrau.
zurückgegeben. P. habe eine völlig andere Ansicht von undankbaren Rollen.
Undankbare Rollen seien solche, in welchen dem Schauspieler keine Gelegenheit
gegeben werde, irgend etwas von Kunst oder Darstellungsgabe sehen zu lassen,
oder solche, in die der Dichter Bombast und Unnatur gelegt habe. Beides treffe
auf die Lady Freelove nicht zu. Im Übrigen habe Iffland die Lage der Dinge schon
bei den Vertragsverhandlungen, als R. noch in Hannover war, dargelegt.